"Die machen sowieso was sie wollen"

Nun sind wieder Wahlen. Überall schauen einem freundliche Köpfe entgegen. Echte „Chrampfer“, geschickte Blender, hoffnungsreiche Newcomer und viele mehr. Auf den Fotos sieht man die Unterschiede kaum. Ebenfalls für die Wählenden nicht so leicht erkennbar sind jene Personen, die eine so genannte U-Boot Strategie fahren. Vor den Wahlen auftauchen, nach den Wahlen den Kopf einziehen und abtauchen – eine weitherum erprobte, äusserst wirksame Strategie. Denn damit tritt man niemanden auf die Füsse und viele denken „der wird es schon recht machen“. Meine Empfehlung an Sie: Wenn Sie nicht sicher sind, wem Sie Ihre Stimme geben sollen, recherchieren Sie doch kurz im Internet (zum Beispiel Namen eingeben plus „Vorstösse“) oder schreiben Sie die betreffende Person gleich persönlich an. Anhand der Rückmeldung werden Sie sich sicher ein besseres Bild machen können.

Sich ausstellen – sich zur Verfügung stellen
Auch wenn die Kandidierenden ganz unterschiedliche Motivationen, Strategien und teilweise gegenläufige Ziele haben – so haben sie doch eines gemeinsam: Sie stellen sich zur Wahl. Oder anders gesagt: Nur dank diesen Kandidierenden haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Wahl. Und ohne Wahlen, keine Demokratie. Ja, unsere Demokratie hat Schwächen, je mehr man sich damit befasst, desto deutlicher sieht man sie. Und trotzdem, die Alternativen sind nicht gerade verlockend. Churchill hat mal gesagt: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind“.

In der Praxis schwieriger als in der Theorie
Im Zusammenhang mit den Wahlen hört man immer wieder: „Nein, ich wähle nicht, die machen sowieso was sie wollen“. Wenn man dann genau nachfragt, wird als Begründung oft irgendein Volksentscheid dargelegt, der anders umgesetzt wurde, als man es erwartet hätte. Ein Beispiel: Die ziemlich radikal formulierte Alpenschutzinitative von 1994, so wird moniert, sei bis heute nicht umgesetzt. In Tat und Wahrheit war die Umsetzung anspruchsvoller, als die Befürworter im Vorfeld gesagt haben (der Bundesrat hat damals darauf hingewiesen, aber man hat ihm zu wenig Glauben geschenkt).Allerdings ist es unbestritten; die Initiative hat Wirkung gezeigt. Im Gegensatz zu unseren Nachbarländern durchqueren bei uns rund 70% des Transportguts per Bahn die Alpen.

Politik ist nicht widerspruchsfrei. Auch ich kann bisweilen gewisse Entscheide nicht nachvollziehen. Doch deswegen ist es nicht so, dass die Politikerinnen und Politiker einfach „machen, was sie wollen“. In einer Monarchie oder einer Diktatur kann eine einzelne Person vielleicht machen, wonach ihr gerade der Sinn steht. Bei uns braucht es immer Mehrheiten und die sind in der Praxis teils viel schwieriger zu erlangen, als man meinen könnte.

Doch auch wenn die Kritik an der Politik sicher oft berechtigt ist, scheint es am Stammtisch, oder wo auch immer, oft leichter zu sein, Änderungen vorzunehmen als in der Praxis. Die Sachverhalte sind, wenn man sich näher damit befasst, oft komplexer, als es auf den ersten Blick aussieht. Ähnlich wie beim Fussball: Von der Seitenlinie aus scheint es leichter zu sein Tore zu schiessen, als wenn man selber auf dem Feld steht.

Selber bestimmen – statt über sich bestimmen lassen
Bei den Nationalratswahlen 2015 lag die Wahlbeteiligung bei 50,9%. Oder anders gesagt: Rund die Hälfte der Stimmberechtigten haben sich nicht daran beteiligt. Ich bin sicher, dass sich ganz viele Wahlabstinenzler durchaus mit der Politik befassen und sich in Diskussionen in ihrem Umfeld entsprechend einbringen. Kaum jemand hat keine politische Meinung. Diese Diskussionen sind wichtig, denn sie erhalten unsere Demokratie aufrecht. Aber wirklich etwas verändern tun sie selten. Einfluss nehmen kann man jedoch mit unserem weltweit einmaligen Wahl- und Stimmrecht. Alle vier Jahre hat man die Möglichkeit, die Schweiz in die Richtung zu lenken, die einem am Herzen liegt. Seien Sie eigenständig und verantwortungsbewusst. Lassen Sie nicht über sich bestimmen, sondern geben Sie den Menschen Ihre wertvolle Stimme, die Ihre Werte teilen und unser Land weiterbringen können.

Glauben Sie nicht, dass Ihre Stimme nicht gefragt ist und keinen Unterschied macht. Fast bei allen grösseren Wahlgängen gibt es Beispiele dafür, dass nur ein paar wenige Stimmen den Ausschlag gegeben haben. Bei den Wahlen vom 20. Oktober 2019 könnte es Ihre Stimme sein.