Von Aufwand, Ertrag und Begeisterung. Milchbüechlirechnung eines Kantonsrates

Nun, da der Wahlkampf wieder voll im Gange ist, zig Kandidierende um die Gunst der Wählerinnen und Wähler buhlen, fragt man sich vielleicht: Warum wollen so viele Personen in den Kantonsrat? Was verdient man dort? Und wie hoch ist das mit dem Amt verbundene Pensum? Oder vereinfacht gesagt: Wie sieht es mit Aufwand und Ertrag aus?

Aufwand

Beginnen wir mit dem Pensum. Eine Frage, die immer mal wieder aufkommt und gar nicht so einfach zu beantworten ist. Denn die Festlegung des Pensums hängt davon ab, was als Referenzgrösse beigezogen wird und was man genau dazu zählt.

Wie viele Stunden pro Woche braucht es für ein 100 % Pensum? 42 Stunden, 43,25-Stunden (wie bei den Kantonsangestellten) oder mehr als 50 Stunden (wie beispielsweise bei Ärztinnen und Ärzten im Spital und bei vielen anderen Führungskräften)?

Weiter stellt sich die Frage, welcher Aufwand für die Pensenberechnung angerechnet wird. Da man Pensen mit bezahlter Arbeitstätigkeit in Verbindung setzt, gehe ich mal davon aus, dass hierzu nur der effektive Arbeitsaufwand gezählt wird. Im letzten Jahr hatte der Kantonsrat während 14 ½ Tagen Session, dazu kamen noch sieben vorbereitende Fraktionssitzungen zu rund vier Stunden. Alle Kantonsratsmitglieder sind zudem in einer vorberatenden Kommission tätig. Der Aufwand hängt von den jeweiligen Kommissionen ab. Als Mitglied der Justiz- und Sicherheitskommission nahm ich im letzten Jahr an fünf halbtätigen Sitzungen teil. Zusammengefasst umfasst mein direkter Arbeitsaufwand 20 ½ Tage bzw. 174,25 Stunden (bei 8,5 h/Tag). Wenn man diesen Aufwand mit der Sollarbeitszeit von 2‘145 Stunden der kantonalen Verwaltung vergleicht, so erhält man einen direkten Arbeitsaufwand in einem Umfang eines 8 Prozent-Pensums.

Wie kommt es nun, dass man vielfach hört, ein Kantonsratsmandat entspreche einem 20 Prozentpensum? Dies hängt davon ab, was alles noch dazu gezählt wird. Das Aktenstudium zum Beispiel oder die repräsentativen Aufgaben (Teilnahme an Anlässen, zu denen man aufgrund seiner Funktion eingeladen wird). Hier wird aber der Vergleich sehr schwierig. Ich nehme zum Beispiel regelmässig an der Polizeivereidigung teil. Ist dies nun Arbeit oder einfach eine Ehre und ein Vergnügen? Und wenn dies in die Pensenberechnung miteinfliessen sollte, wäre dann das anschliessende Apéro auch noch dabei und wenn ja, wie lange wird dies angerechnet? Und wie sieht es aus, wenn man beim Apéro eine Vorstossidee intensiv diskutiert? Sie sehen, wenn man möchte, kann man vieles in Verbindung mit einer Kantonsratstätigkeit bringen, ja man könnte das Ganze sogar ad absurdum führen und jedes Gespräch mit einem besorgten Bürger irgendwo in eine fiktive Stundenerfassung einrechnen. Sogar das Zeitung lesen oder das Schreiben dieses Beitrages. Wer dieses Amt seriös ausübt, wird fast jeden Tag Zeit dafür aufwenden – und dies nicht zu knapp. „Minütelen“ ist meiner Meinung hier aber fehl am Platz.

Ertrag

Kommen wir nun zum Ertrag. Die Mitglieder des Kantonsrates erhalten eine jährliche Grundentschädigung von Fr. 6‘000. Für die Teilnahme an den Ratssitzungen sowie an den Kommissions- und Fraktionssitzungen wird den Ratsmitgliedern ein Sitzungsgeld von Fr. 150 pro Halbtag ausgerichtet. Bei den vorerwähnten 20 ½ Tagen kommen so insgesamt Fr. 9‘075 (Brutto) zusammen. Wenn man ausschliesslich den direkten Arbeitsaufwand berücksichtigt (siehe weiter oben), scheint dies eine ordentliche Entschädigung darzustellen. Doch auch hier ist die Realität komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Von dieser Entschädigung geht ein schöner Teil in die Parteikasse, zudem sind die Spesen und weitere Ausgaben (wie zum Beispiel Wahlwerbung) abzuziehen. Als Reinigungskraft hätte man einen höheren Stundenlohn, hört man dann und wann bei Diskussionen mit Ratsmitgliedern.

Rein ökonomisch betrachtet, steht der Aufwand nicht in einem günstigen Verhältnis zum finanziellen Ertrag. Muss er auch nicht. Denn diese Betrachtungsweise greift zu kurz. Viel zu kurz. Kein Mensch wird Kantonsrat wegen der Entschädigung. Motivation sollte nicht der Verdienst, sondern die Aufgabe an sich sein.

Begeisterung

Ein Kantonsratsmandat bringt ganz viel Freiwilligenarbeit mit sich. Und nicht nur dies, als öffentliche Person steht man unter permanenter Beobachtung und wird zur Projektionsfläche für alles Mögliche. Man sieht sich teilweise mit Vorurteilen konfrontiert und muss den Kopf manchmal für Dinge hinhalten, die man gar nicht beeinflussen kann. Wer sich einsetzt, setzt sich aus. Mit dem Strom zu schwimmen ist hingegen leicht. Bewusst auch mal gegen den Strom zu schwimmen (wie in der letzten Session zum Beispiel aus Überzeugung gegen die Aufgaben- und Finanzreform 18) gehört meiner Meinung nach auch dazu – und da ist bisweilen ein dickes Fell gefragt.

Aber trotz alledem: Ein Kantonsratsmandat ist etwas unglaublich schönes und bereicherndes. Es lohnt sich! Ich kann es sehr gut verstehen, warum immer mehr Personen für dieses Amt kandidieren. Der Treiber ist nicht die nüchterne Aufwand und Ertrag -Betrachtung, sondern das innere Feuer, das in einem brennt und einem antreibt. Diese Begeisterung mit unglaublich vielen Menschen in Kontakt zu kommen, mit ihnen zu diskutieren, unterschiedliche Meinungen zusammen zu bringen und nach Lösungen zu suchen. Die Freude daran, ein Teil eines grossen Ganzen zu sein und einen Beitrag für eine positive Zukunft leisten zu dürfen. Die Möglichkeit auch als einer von 120 einen Unterschied auszumachen. Die bereichernden Begegnungen im ganzen Kanton und das grosse Lernfeld. Die Dankbarkeit für das Vertrauen, welches einem geschenkt wird.

Egal wie die ökomische Berechnung nun genau aussieht, wie viele Stunden man effektiv für dieses Amt aufwendet und ob es einen Franken mehr oder weniger gibt: Massgeblich ist dies alles nicht. Massgeblich ist die Begeisterung für dieses Amt und dann stimmt die persönliche Aufwand- und Ertragberechnung immer.

Jim Wolanin, Kantonsrat, Neuenkirch